Im Leseunterricht an der Raphael-Schule werden die Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer Fähigkeiten gefördert. Lesen und Schreiben soll von ihnen als lebenspraktisch sinnvolle, aber auch emotional befriedigende Tätigkeiten erlebt werden.
Deshalb umfasst der Unterricht zum einen Aspekte des „erweiterten “ Lesebegriffs. So kann es für einige Schülerinnen und Schüler sinnvoll sein, Piktogramme zu erkennen oder Signal- und Ganzwörter von Geschäften etc. zu erlesen, damit sie sich in der Umwelt orientieren und ihr Leben möglichst selbständig bewältigen können.
Zum anderen ist aber auch das „klassische“ Lesen- und Schreibenlernen von großer Bedeutung.
Im Folgenden finden sich zwei Beispiele zum Leseunterricht an der Raphael-Schule:
Leseunterricht in einer Unterstufenklasse:
Grüne Haare, große Ohren und ein rotes T-Shirt. Das ist Mo, die Handpuppe und Identifikationsfigur aus dem Leselehrgang „Klick!“. Wird ein Buchstabe im Lese- und Schreibunterricht neu eingeführt, so taucht die Handpuppe Mo auf. Anhand eines Erlebnisses dieser Identifikationsfigur aus dem Lesebuch erleben die Schülerinnen und Schüler das Unterrichtsgeschehen in dieser Phase als Geschichte, die ihnen helfen kann, sich den Buchstaben zu merken.
Wir arbeiten beim Lesenlernen mit Lautgebärden. Diese werden in der Rahmensituation ebenfalls eingeführt. Lautgebärden sind motorische Hilfestellungen, sie unterstützen einerseits die Aussprache und dienen manchen Kindern als Erinnerungshilfe. Andererseits helfen sie bei der Analyse (Durchgliederung) und bei der Synthese (Aufbau) von Wörtern
Diese Lautgebärde, der entsprechende Buchstabe in großer und kleiner Variante sowie das Anlautbild finden sich an unserer Buchstabenwand wieder. Der stetig wachsende Fundus an bekannten Buchstaben macht die Schülerinnen und Schüler stolz und bietet immer wieder die Möglichkeit, Laut-Buchstaben-Gebärden-Zuordnungen zu wiederholen.
Nachdem der neue Buchstabe eingeführt ist, wird er in unserer Klasse gewöhnlich im Stationsverfahren geübt. Diese Stationen setzen sich aus Aufgaben zusammen, die verschiedene Sinne und Teilkompetenzen des Leselernprozesses ansprechen. So gibt es z.B. Stationen zum Bereich „Hören“, „Sehen“ oder auch „Fühlen“. Gern nutzen wir hier auch spielerische oder motorische Übungsformen.
Natürlich finden sich bei uns auch die „klassischen“ Lese- und Schreibstationen. Schülerinnen und Schüler, die bereits über ausreichende feinmotorische Kompetenzen verfügen, üben das Schreiben der Buchstaben in Druckschrift. Kinder, die noch Schwierigkeiten in diesem Bereich haben, fahren eventuell erst Buchstaben in Sand, Schaum oder auf Tesakrepp nach und nutzen Stempel.
Ein schwieriger Schritt beim Lesenlernen ist die Synthese, d.h. das Zusammenziehen von Lauten/Buchstaben zu Silben und Worten. Hier gilt – wie beim Schreiben -, dass wir Arbeitsblätter und Arbeitshefte des Leselehrgangs nutzen, wenn unsere Schülerinnen und Schüler die entsprechenden Lernvoraussetzungen im Bereich Wahrnehmung und Motorik mitbringen. Häufig ist es jedoch notwendig, das Material für unsere Schüler umzugestalten und zu differenzieren, so dass jeder Schüler im Rahmen seiner Fähigkeiten tätig werden kann. Ein motivierendes Übungsgerät ist in diesem Fall auch der Computer. Einfache Lernprogramme wie Budenberg oder Lernwerkstatt finden auch bei uns Eingang in den Leseunterricht.
Leseunterricht in der Berufspraxisstufe:
Die Schülerinnen und Schüler der Berufspraxisstufe sind in vielen Lernbereichen aufgefordert zu lesen. Im Hauswirtschaftsunterricht lesen und erstellen sie Einkaufslisten und bereiten Gerichte mit Hilfe von (Bild-)rezepten zu. In manchen Lernbereichen lesen sie Pläne, Arbeitsanweisungen und –anleitungen und entnehmen beispielsweise Prospekten, Katalogen und Zeitschriften die benötigten Informationen. Das kann jeder auf der Niveaustufe tun, die ihm obliegt.
Die Schülerschaft in den Klassen arbeitet im Rahmen des Wochenplans mit individuell auf den entsprechenden Leistungsstand abgestimmten Freiarbeitsmaterialien oder in zeitlich begrenzten Leseprojekten.
Leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler erarbeiten Ganzschriften in leichter Sprache mit Inhalten, die ihrem Interesse oder ihrer Lebenssituation entsprechen. Es werden zum Beispiel Ganzschriften erarbeitet, die Berufsorientierung, die erste Liebe oder frühe Schwangerschaft und das Leben mit einem Kind thematisieren.
Sie üben Formulare und Anträge auszufüllen oder lesen kurze Sachtexte, zu denen sie Fragen beantworten.
Schüler, die sich auf einer anderen Leseniveaustufe befinden, beschäftigen sich mit unterschiedlichen Materialie zur Synthese ( Wort-Bild-Häusern, Drehscheiben, Malaufträgen, Lesefächern, Wörterpuzzles etc.). Sie erarbeiten Wörter zu verschiedenen Themenbereichen zum Beispiel zur Vorbereitung des Praktikums oder je nach Interessenslage.
Die Lerninhalte besprechen die Schüler mit ihren Lehrern. So gibt eine Schülerin an, dass sie gerne Wörter zum Thema Kino oder Essen lernen möchte. Ein anderer Schüler schreibt Bewerbungsschreiben auf dem PC und arbeitet an seiner Praktikumsmappe. Ein Praktikum in einer Fahrradwerkstatt steht an, darauf möchte sich ein Schüler mit Wörtern aus dem entsprechenden Arbeitsfeld vorbereiten.
Im Pausenbereich liegen für alle Schüler zugänglich verschiedene Lesematerialien bereit. Zeitschriften zu verschiedenen Themen, Bücher oder auch interaktive Geschichten auf dem I-Pad sind sehr beliebt.
Zusammenfassend kann man sagen, der Lese- und Schreibunterricht in der Berufspraxisstufe ist anwendungsbezogen und lebensrelevant und berücksichtigt die individuelle Interessens- und Lernausgangslage der Schülerschaft .